Bericht des Gregor Spieß über „seinen“ Deutschen Orden

Die Handschrift ist unspektakulär, die Schrift geschäftsmäßig, alles deutet auf eine Konzeptfassung hin – aber der Inhalt hat es in sich: Der Kanzler, Gregor Spieß, sieht ‚seinen‘ Orden in großer existentieller Gefahr. Deshalb schreibt er am 21. Juli 1548, kurz vor dem anstehenden Reichstag in Augsburg, einen kurzen Bericht, ob denn das 1525 verlorene Preußen nach wie vor zum Heiligen Römischen Reich und damit dem Orden gehöre. Noch immer will er sich mit dem Verlust nicht abfinden, zumal er den Deutschherren im Reich keine Überlebenschance ohne Preußen zugestehen möchte. Die Reichsacht gegen den abtrünnigen Hochmeister soll nach wie vor bestehen bleiben; Spieß befürchtet eine gegenteilige Entscheidung des Reichstages. Die Rechte (Regalien) an Preußen seien nach wie vor in den Händen der Administratoren, bei den Deutschmeistern. Auch wenn die angedrohte Reichsexekution nicht durchgeführt wurde, haben der Orden und die Hochmeisteradministratoren nach wie vor die alten Herrschaftsrechte, die Ansprüche des Königreiches Polen würden jedweder rechtlichen Grundlage entbehren. Diese unnachgiebig vorgetragenen Ansprüche zeigen aber auch die schwierige, ja verzweifelte Position, in der sich der Orden in den Augen seines Kanzlers befindet.
Für Spieß ist 1548 die Zukunft höchst ungewiss. Ist es diese Verzweiflung, die Spieß dann auch eine neue Gründungsgeschichte des Ordens schreiben ließ? „Im Jahre 1142, als man aus dem Heiligen Römischen Reich gegen die Ungläubigen nach Jerusalem zog“, so die Darstellung in seinem kurtzen bericht, „habe auch der Deutsche Orden seinen Anfang genommen. Zusammen mit den Templern und Johannitern seien sie von Friedrich Barbarossa in Akron gegen die Ungläubigen aufgestellt worden“. Die Darstellung erstaunt, Barbarossa wurde erst 1152 zum König gekrönt und Spieß bezeichnet Akkon mit dem alten antiken Namen Ptolemais, das erst 37 v. Chr. von den Römern unbenannt wurde. Nach der Vertreibung sei der Orden nach Neapel, Sizilien und Apulien gekommen, ehe er dann seinen eigentlichen Bestimmungsort, Preußen, erreichte. Es bleibt bis jetzt unklar, weshalb Spieß die Gründungsgeschichte des Ordens derart umdeutete, vielleicht war die aktuelle politische Lage und der Zwang zum Handeln dafür verantwortlich?

Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus der Handschrift des Gregor Spieß.

Bild: DOZA Preu399-2, fol. 68r-76v. [Scans dank der großzügigen Erlaubnis vom zuständigen Archivar Mag. Bernhard Huber]

Text: H. Flachenecker